Montag, 14. Dezember 2009

Inhaltsangabe des Kapitels "Die Globalisierung demokratisieren" aus dem Buch "Die Chancen der Globalisierung" von Joseph E. Stiglitz

Stiglitz definiert Globalisierung vor allem als transnationale Interdependenz. Aktionen an einem Ende der Welt haben Auswirkungen und Reaktionen am anderen Ende zur Folge.

Ein Kernproblem in seinen Augen ist, dass die Globalisierung auf manchen Ebenen (vor allem auf der ökonomischen Ebene) weiter und schneller vorangeschritten ist, als auf anderen Ebenen (hier vor allem die politische Ebene). Dies ist insofern besonders problematisch, als dass es eigentlich Aufgabe der Politik wäre, einen klaren Ordnungs- und Handlungsrahmen für die Ökonomie zu setzen.

Dies führt zu verschiedenen kritischen Bewertungen aus verschiedenen Perspektiven heraus. So kritisieren die Industrieländer vor allem das Outsourcing von Arbeitsplätzen in Entwicklungsländer, was zur erhöhten Arbeitslosigkeit, sozialen Verwerfungen und Wohlstandsverlusten in ihren Ländern führt. Die Entwicklungsländer hingegen werfen den Industrieländern einseitige Vorteilsnahme und Beeinflussung der Globalisierung zu deren Gunsten vor. Alle Staaten gemeinsam kritisieren die wachsende Macht von Multinationalen Unternehmen.

3 Problemfelder

Stiglitz geht in diesem Teil seines Buches auf drei Problemblöcke ein:

  1. In Industriestaaten: Gefährdung der sozialen Gleichheit durch Marginalisierung von gering qualifizierten Arbeitnehmern und zunehmendes Outsourcing.
  2. Auf internationaler Ebene: Institutionelle Demokratiedefizite sorgt für geringe Legitimation und Effektivität der betroffenen Institutionen.
  3. Auf lokaler Ebene: Mangelndes globales Bewusstsein führt zu einem Primat der Lokalpolitiken.

Im ersten Problemblock sieht Stiglitz vor allem die Staaten in der Pflicht, weniger für einen Erhalt gering qualifizierte Jobs zu kämpfen, sondern vielmehr durch Investitionen in Bildung und Forschung den Großteil der Bevölkerung zur Ausübung höher qualifizierter Berufe zu befähigen. Es habe in jeder dynamischen Volkswirtschaft seit jeher Verluste von „alten Arbeitsplätzen“ zu Gunsten von „neuen Arbeitsplätzen“ gegeben (Beispiel: Von dem Bauen von Kutschen zu Automobilen.). Die kurzfristigen Nachteile gering Qualifizierter müssen nach Stiglitz durch staatliche Umverteilungspolitiken begrenzt und die langfristigen Nachteile durch bessere Qualifizierungsmodelle aufgehoben werden. Ein durch die Globalisierung entstandenes neues Problem ist der Verlust von hoch qualifizierten Arbeitsplätzen (IT in Indien). Dieses Problem ist eine Folge der Globalisierung, wird von Stiglitz aber als weniger drastisch betrachtet, als das vorher angesprochene Problem.

Der zweite Problemblock spricht in erster Linie Bretton-Woods-Institutionen an. Diese sind dominiert durch die westlichen Staaten und nehmen massiven Einfluss auf den Verlauf der Globalisierung. Aufgrund ihrer fehlenden demokratischen Struktur haben sie ein klares Legitimationsproblem und werden in der Praxis als Werkzeug gesehen, mit dem die Industriestaaten das Interesse ihrer größten Unternehmen vertreten. Generell möchte Stiglitz den Einfluss dieser Institutionen nutzen, um zu versuchen, einen fairen Verlauf der Globalisierung zu erwirken. Allerdings lobt er die staatlichen Verdienste, den Markt zu bändigen und somit in ihren Ländern mehr Gewinner, weniger Verlierer und generell mehr Wohlstand zu generieren. Diese Fähigkeiten sieht er durch übermächtige supranationale Institutionen gefährdet und möchte deren Einfluss daher quantitativ gering halten.

Das Problem des mangelnden Bewusstseins ist in meinen Augen mit das größte und am schwersten zu lösende Problem. Hier manifestieren sich grundlegende Bewusstseinsprobleme des menschlichen Geistes. Für die meisten Menschen wiegt der Verlust eines Arbeitsplatzes im Inland schwerer, als die Schaffung mehrerer neuer Arbeitsplätze im Ausland. Ein toter Landsmann bei einer großen Katastrophe ist dramatischer, als 999 getötete Menschen aus anderen Ländern. Einem Baumwollfarmer in den USA sind seine Subventionen wichtiger als die unter anderem dadurch zementierte Armut von Baumwollfarmern in Entwicklungsländern.
Nach Stiglitz ist mehr „globales Identitätsbewusstsein“ notwendig. Die Menschen müssen sich nicht nur bewusst werden, dass Naturkatastrophen in Lateinamerika zu höheren Kaffeepreisen in ihren Supermärkten führen, sondern auch, dass asymmetrische Protektionszölle in ihren Ländern wirtschaftlich unmittelbar erhebliche negative Auswirkungen auf Menschen in anderen Ländern haben.
Doch nicht nur die Bürger müssen dieses Bewusstsein erlangen, auch die Politiker und andere Eliten müssen lernen, dass sie auf internationalen Konferenzen nicht nur um jeden Preis versuchen sollten, das ökonomisch beste Ergebnis für ihr Land zu erreichen, wenn auch ein nicht ganz so tolles Ergebnis für ein Land zu einem besseren Ergebnis für viele Länder führen kann.

Lösungen

Die Lösungsansätze unterteilt Stiglitz in die Ansätze kurzfristiger und langfristiger Art. Alle globalen Agenden sollten möglichst schlank sein, da sich Regierungen von Entwicklungsländern nicht so viele Mitarbeiter und Berater leisten können, wie es Industrieländer tun. Finanzieren würde er die Reformen durch eine Änderung des Weltwährungsreservensystems und durch „verhaltenslenkende Steuern“ auf Waffenhandel, Umweltverschmutzung, destabilisierend wirkende Kapitaltransaktionen, etc.

Kurzfristig sollten erstens externe negative Effekte (Umweltschäden, Wirtschaftsschäden durch Spekulationen, etc.) verringert oder unterbunden werden. Zweitens sollen diejenigen Aspekte bestärkt werden, von denen die Weltgemeinschaft am meisten und nachhaltigsten profitiert. Und drittens sollen „globale öffentliche Güter“ wie Frieden, Gesundheit und Wissen allen Ländern uneingeschränkt zugänglich gemacht werden.

Die langfristigen Lösungen sind vor allem institutioneller Art. So sollte vor allem die Stimmrechtsverteilung bei IWF und Weltbank demokratisiert werden und die Repräsentation nicht nur durch Handels- und Finanzminister vollzogen werden, sondern auch durch Minister anderer Fachressorts (Gesundheit, Umwelt, Bildung, etc.). Für die Erschaffung eines internationalen Bewusstseins schlägt Stiglitz einen Gesellschaftsvertrag vor, der ein maßgebliches Wissen um die Internationalität von größtenteils lokalen Problemen in sich birgt und der auf Fairness in den bi- und multilateralen Wirtschaftsbeziehungen abzielt.

Fazit

Ein grundlegendes Problem von Stiglitz Annahmen ist, dass Globalisierung als vielschichtiges Erklärungsmodell nicht ausschließlich durch Wirtschaft und Politik lenkbar ist. Man kann es auf diesen Ebenen sicherlich sehr gut beeinflussen, doch sollte man sich stets vor Augen führen, dass dies nicht die einzigen Steuerungselemente von Globalisierung sind (wohl aber die, auf die der Mensch am ehesten zugreifen kann). Die angesprochenen Reformen können theoretisch erfolgreich sein, sie können aber auch im Gegenteil derartige Auswirkungen haben, dass sich die Lage für viele Menschen verschlimmert.
Trotzdem sind wir der Ansicht, dass die von Stiglitz erörterten Maßnahmen generell sinnvoll sind und auch umgesetzt werden sollten.